Gedanken zur Finanzlage im Landkreis Bad Kissingen

Vorab eine wichtige Verzichterklärung. Ich nehme für mich nicht in Anspruch ein Experte in volkswirtschaftlichen Fragen, betriebswirtschaftlicher Überlegungen oder der Finanzierung öffentlicher Haushalte zu sein. Ich stelle diese Überlegungen hier an, da ich als Kreisrat im Landkreis Bad Kissingen mit Verantwortung für dessen Haushalt trage. Ich mache diese Überlegungen öffentlich, weil ich der Meinung bin, dass wir mehr öffentliche Debatte um einige aktuelle Fragen brauchen. Dazu ganz am Ende noch einmal mehr.

Die Ausgangslage

Der Landkreis Bad Kissingen hat aktuell 18,5 Millionen Euro Schulden. Das entsprach im Jahr 2020 einer Pro-Kopf Verschuldung von 199 Euro. Dem stehen liquide Mittel entgegen, die für 2022 mit 16,7 Mio und im Plan des Finanzhaushalts für 2023 sogar mit 19,4 Millionen angesetzt sind.

Mit dem Schuldenstand liegen wir etwas über dem Durchschnitt, sowohl von Bayern, als auch von Unterfranken. Im Jahr 2020 hatten wir unter den 71 Landkreisen in Bayern den Platz 23 der höchsten Pro-Kopf Schuldenstände. Bayernweit lag 2022 das Median des Pro-Kopf Schuldenstands bei 146 Euro, der Mittelwert bei 172 Euro.

https://www.statistik.bayern.de/mam/produkte/veroffentlichungen/statistische_berichte/l3100c_202000.pdf

In den nächsten Jahren steht eine sehr große Investitionstätigkeit im Landkreis an. Für den geplanten Bau zweier Schulen (Gymnasium + Realschule in Hammelburg) und den Campusanlagen dazu sind aktuell etwas mehr als 105 Millionen Euro an Baukosten veranschlagt. Abzüglich der derzeit geplanten Förderungen, die aus anderen Steuertöpfen bezahlt werden, muss der Landkreis alleine etwa 65 Millionen an Finanzmitteln für das Projekt einplanen. Bei geplanten Gesamtinvestitionen von 77,4 Millionen, sind es etwa 84% der derzeit mittelfristig geplanten Investitionen des Landkreises im Hochbau, die für dieses eine Projekt veranschlagt sind.

Der mittelfristige Ausblick

Der aktuelle Beschlusslage des Landkreises zum Haushalt beinhaltet Prognosen bis zum Jahr 2025. Der Vorbericht, der die Grundlage des Kreistags für den Beschluss des Haushalts war, sieht bis in dieses Jahr einen Finanzbedarf von 50 Millionen vor. Beim Abschmelzen aller vorhandenen Rücklagen, benötigen wir dafür voraussichtlich zusätzliche 30 Millionen Euro, für die wir weitere Schulden aufnehmen müssen.
Bis zum Jahr 2025 sind noch nicht alle Kosten für den Schulcampus in Hammelburg abgerechnet. Es fehlen für die Jahre 2026 und folgende noch 17,17 Millionen Euro aus diesem Investitionsvorhaben. Da wir diese aller Voraussicht nach auch über Schulden finanzieren werden müssen, gehe ich für das Jahr 2026 oder etwas später mit einem Schuldenstand von 65 Millionen Euro aus. Das ist drei mal so hoch wie heute, beim gleichzeitigen Abschmelzen aller Reserven.
Das entspräche einem Schuldenstand von 630 Euro Pro Kopf und würde uns, wenn alle anderen Landkreise ihren Schuldenstand halten würden auf den zweiten Platz der am meisten verschuldeten Landkreise in Bayern bringen.

Der langfristige Ausblick

Wie in der Grafik oben zu sehen ist, hat der Landkreis in den Jahren 2008 bis 2021 mit der Ausnahme einer günstigen Kreditaufnahme im Jahr 2019 kontinuierlich Schulden abgebaut. Wenn wir die Schuldenaufnahme in dem Jahr 2019 ausblenden, hat der Landkreis pro Jahr 1,78 Millionen Schulden abgebaut. Um den (von mir) prognostizierten Schuldenstand im Jahr 2026 abzubauen, müssten wir knapp 37 Jahre lang ähnlich wirtschaften wie in den Jahren 2008 bis 2021 (13 Jahre).

Es gibt für mich eine ganze Reihe von Gründen, weshalb ich davon ausgehe, dass wir eine Haushaltsführung wie in den vergangenen 13 Jahren nicht in den nächsten 37 Jahren halten werden können.

Demographischer Wandel

Das Bayerische Landesamt für Statistik geht in seiner letzten Schätzung vom Herbst 2021 davon aus, dass die Bevölkerung im Landkreis Bad Kissingen bis zum Jahr 2040 um 2,8% und damit um fast 3000 Personen zurückgeht. Noch schwerwiegender ist, dass der Altersquotient bis dahin auf 63,6 Prozent und damit auf den höchsten Wert in Unterfranken steigen wird. Während heute auf 100 Menschen im erwerbstätigen Alter im Landkreis etwa 44 im Rentenalter kommen, werden es im Jahr 2040 fast 64 sein.

https://www.statistik.bayern.de/mam/statistik/gebiet_bevoelkerung/demographischer_wandel/demographische_profile/region03.pdf

Steigende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit verbundene zusätzliche Einnahmen des Landkreises und der Gemeinden sind daher kaum zu erwarten.

 

Gesamtwirtschaftliche Lage

Die Zeiten in denen die politische Frage einfach mit großen Mengen billigen Geldes gelöst werden konnten scheinen absehbar vorbei. Schon vom dritten Quartal 2021 bis zum ersten Quartal 2022 sind die Zinsen für 10 Jährige Anleihen von Kommunen gestiegen.

https://loanboox.com/ch/de/blog/plotzlicher-zinsanstieg-gemeinde-darlehen/

Mit der sich absehbar verfestigenden Inflation und dem Ende der Niedrigzinsen dürften der Schuldendienst für die aufgenommen Darlehn dein Kreishaushalt langfristig belasten. Ein durchschnittlicher Zinsanstieg von 1,5% bedeutet, dass auf 65 Millionen Euro Schulden 1 Millionen Euro mehr an Zinsen pro Jahr aufgebracht werden muss und bei den Möglichkeiten zu investieren fehlt.

Investitionsbedarf

Der für mich an dieser Stelle entscheidende Punkt ist, dass wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch viele weitere Investitionen werden tätigen müssen. Die beiden Schulen die wir jetzt sanieren bzw. neu Bauen, sind nur zwei der elf Schulen im Landkreis. Auch wenn es keinen formalen Beschluss dazu gibt, gilt es im Kreistag als ausgemacht, dass nachdem zwei Drittel des Schulcampus in Hammelburg fertig gestellt sind (Gymnasium + Realschule) , das Schulzentrum in Bad Brückenau saniert werden soll.

Fazit und Schlussfolgerungen

Nach aktuellem Stand stehen wir vor einer Zäsur. In den nächsten Jahren wird sich der Schuldenstand des Landkreises voraussichtlich verdreifachen, wir werden gleichzeitig unsere liquiden Mittel vollständig abbauen. Gleichzeitig drohen höhere Zinsen den Schuldendienst zu verteuern. Mit Blick auf diesen gravierenden Einschnitt halte ich es für fahrlässig jedes Projekt einzeln zu planen und schrittweise vorzugehen.

Unsere derzeit geplanten Investitionen werden uns langfristig in unseren Investitionsmöglichkeiten extrem einschränken – davon bin ich überzeugt. Investitionen bei denen wir uns heute übernehmen, werden zukünftige Investitionen verhindern.

Ich habe daher 2022 den Kreishaushalt abgelehnt. Persönlich bin ich überzeugt, dass es selbst jetzt noch besser wäre, das Projekt Schulcampus einzustampfen und das Gymnasium wie es ist schrittweise als Flurschule zu sanieren. Politisch halte ich dieses Szenario leider für unrealistisch.

Umso wichtiger ist es ,uns jetzt langfristig über unsere Investitionen und finanziellen Möglichkeiten Gedanken zu machen - über den Rahmen der Finanzplanung in einem regulären Haushalt hinaus. Welche Investitionen in unsere elf Schulen im Landkreis werden in den nächsten Jahrzehnten nötig werden? Wollen wir weitere Schularten, wie zum Beispiel eine Fachoberschule versuchen anzusiedeln? Werden in Bad Brückenau die gleichen Argumente wie in Hammelburg für teure Neubauten sprechen? Wie wird es in 30 Jahren mit den Schule in Bad Kissingen aussehen? Wie ist der Sanierungsstand der sonstigen Liegenschaften im Landkreis? Welche Baumaßnahmen werden für die Kreisstraßen unbedingt erforderlich sein. Wie können wir langfristig unsere Fähigkeit gezielt zu investieren erhalten?

Diese Gedanken müssen in zwei Gruppen angestellt werden. Die Bevölkerung des Landkreises sollte diese zentralen Zukunftsfragen intensiv mit begleiten. Der Kreistag und seine Ausschüsse müssen als diejenigen, welche die Finanzen des Landkreises zu verantworten haben, Antworten suchen und finden.

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